Das verfluchte Raum-Zeit-Kontinuum in Barcelona

Laberinto de Horta, Barcelona
Laberinto de Horta, Barcelona

“Veränderung ist am Anfang hart, in der Mitte chaotisch und am Ende wunderschön.”

Unbekannt

Ich habe schon beim letzten Post angekündigt, dass er anders wird als das, was ich normalerweise schreibe. Und auch dieser wird kein Reisebericht über irgendeinen Ort, den ich vor Kurzem besucht habt und auch nur entfernt ein Update über die Zeit in Barcelona und das neue Leben, das ich mir ausgesucht habe, auch wenn mir so viele Leute in den Ohren liegen, weil es genau das ist, was sie am meisten interessiert. Ich kann euch zumindest etwas beruhigen, dieser Post beschreibt eigentlich schon einen Großteil des Lebens in Barcelona, auch wenn ich ihn gar nicht so auslegen wollte. Nennen wir es Tatsachenbericht.
*Für die Fotos (ja, er durfte Fotos von mir machen :D) haben wir extra das Labyrinth von Horta aufgesucht und da mein Chaos-Köpfchen mir die ganze Zeit nur gefolgt ist, haben wir uns dank meiner Orientierung dort drin tatsächlich verlaufen, was aber auch der Sinn der Sache war. Genauso wie wir uns im Labyrinth verliefen, verlaufen wir uns jeden Tag im Raum-Zeit-Kontinuum.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Ich habe lange überlegt, ob und wie ich dieses “Problem”, was hier in Barcelona immer öfter zutage tritt, in Worte fassen kann, ohne eine komplette Staatsverschwörung über die mysteriösen Spanier … Verzeihung, Katalanen auszulösen oder, was viel wahrscheinlicher wäre, die meisten Menschen an meinem mentalen Zustand zweifeln zu lassen. Möglicherweise ist es tatsächlich nur die Wahrnehmung einer einzelnen verrückten Person, nämlich ich, die nicht alle Tassen im Schrank hat und versucht, dafür eine einigermaßen plausible Erklärung oder Ausrede zu finden, man weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass sich mein Leben hier in Barcelona hauptsächlich um die Kombination aus den Wörtern Zeit, Überraschung und Kopfschütteln abspielt. Was das bedeutet, werde ich euch heute in diesem Post möglichst ausführlich erklären. Am besten, ihr nehmt euch einen Kaffee und setzt euch zurück, das wird ein langer Text, da ich beschlossen habe, alle Beispiele, die ich habe, gleich mit aufzuschreiben.

Ich lebe in dieser Stadt nun seit Mitte März, also seit fast sieben Monaten. Bisher bereue ich es kein bisschen, diesen Schritt gewagt zu haben und fühle mich hier sehr wohl. Ich komme mit den Menschen zurecht, da es die Sorte von Menschen ist, die ich wollte, ich fuchse mich in das spanische System ein, auch wenn es mir nicht immer gefällt, und fange an, ein soziales Umfeld aufzubauen. So weit, so gut. Kommen wir nun zu besagtem Problem, was eigentlich gar keins ist, solange man es mit Humor nimmt, was mich aber immer wieder aufs Neue an den Rande des Wahnsinns treibt. Vielleicht muss ich mich einfach nur noch mehr “einspanischen” und viel ruhiger werden.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

In Spanien hat der Tag nur 19 Stunden.

Das ist meine Theorie. Bevor sich jetzt die meisten über meinen geistigen oder vielleicht auch Bildungszustand aufregen, werde ich diese Theorie so anschaulich wie möglich erklären und hoffentlich Einstein und Newton korrigieren, da ich mir sicher bin, dass diese beiden Genies sich irgendwo verrechnet haben. Oder ihre Theorien gelten nicht für Spanien. Das gilt es herauszufinden. #aluhutvomkopfnehm
Ich habe ein wenig den pummeligen Ratgeber Wikipedia konsumiert, halt der aalglatte Kamerad für diejenigen, die sonst auch keine Ahnung haben, also dachte ich, ich wäre dort, was Physik bei mir angeht, durchaus richtig. Seien wir ehrlich, wenn man herausfinden will, wie die Kleiderordnung der britischen Königsfamilie dem kleinen Thronerben in spe George (oder überhaupt, dass er George heißt, was ich vorher auch nicht wusste) auf die Nerven geht, ist Wikipedia vielleicht wirklich zu gebrauchen, für mein Zeit-Problem war es allerdings weniger geeignet. Wirklich schlau bin ich also nicht geworden, daher habe ich es frustriert gelassen und mich auf eigene Theorien-Findungsphase begeben. Diese beruht im Großen und Ganzen aus Beobachtungen und Beispielen (mir mögen bitte alle meine Wissenschaftler-Freunde dieses laienhafte Protokoll verzeihen; ich hoffe ja wenigstens, dass ich richtig gerechnet habe).

Ich stehe jeden Morgen um 8 auf. Solange, wie ich noch Ferien und die Uni noch nicht begonnen hatte, war das so. Mittlerweile habe ich die erste Woche in der Uni absolviert und muss jeden Tag sogar noch früher aufstehen.Wir lassen die Uni aber mal beiseite, da sie nicht ausschlaggebend ist, und wenden uns der Zeit vor dem Studienbeginn zu.

Wie gesagt, ich stehe immer um 8 auf. Da wir einen Hund haben, geh ich mit dem zuerst immer erst eine Runde spazieren. Ich könnte schwören, immer nur 10 oder 15 Minuten raus zu gehen, jedoch wenn ich wiederkomme, ist es meistens um 9 oder manchmal sogar halb 10. Na gut, das könnte man noch erklären, vielleicht war ich doch länger draußen als angenommen oder ich habe länger beim Anziehen und Fertigmachen gebraucht, sagen wir, irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass das so ist. Unser Hund Mika ist sehr pflegebedürftig und hat viele Allergien, nach unserem Morgenspaziergang muss ich also immer einmal ihr gesamtes Fell eincremen und die Öhrchen tropfen. Das nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch, jedoch wundere ich mich jeden Tag aufs Neue, warum es dann auf einmal schon um 12 ist. Vielleicht bin ich auch einfach ein sehr langsamer Mensch. Jedenfalls kann ich das auch noch verschmerzen und fange dann erst einmal an, zu frühstücken und danach die Küche sauber zu machen. Da der Haushalt sich auch nicht von alleine macht, bin ich danach damit beschäftigt, je nachdem, was anfällt. Das ist meistens nicht so viel, dass man sich damit überfordert fühlt und ich arbeite so viel wie möglich gleichzeitig ab. Da es dann unerklärlicherweise aber meistens trotzdem schon 15 Uhr ist, wird es wieder Zeit, Mika etwas zu fressen zu geben, mit ihr rauszugehen und eventuell etwas einzukaufen, was ich dann meistens verbinde. Zurück zu Hause beeile ich mich dann, irgendetwas Essbares zu produzieren, wenn mein Chaos-Köpfchen von der Arbeit hungrig nach Hause kommt. Wir reden dann meistens über unseren Tag und offenbar verquatschen wir uns so sehr (eigentlich nicht…), dass es auf einmal um 9 ist, er dann meistens Abendessen macht und ich mich dem Hund widme, der seine Tabletten und sein spezielles Futter braucht. Ach ja, ganz vergessen, besagtes spezielles Futter muss jeden Tag gekocht und angemischt werden, so dass man fast eine Stunde in der Küche mit schnippeln und umrühren beschäftigt ist. Normales Hundefutter aus dem Supermarkt können wir unserer armen Hündin nicht geben, da sie davon Hautausschlag bekommt. Somit wird also jeden Tag für sie gekocht, was ich meistens nach dem Frühstück zusammen mit dem Abwasch mit erledige. Was das angeht, habe ich mittlerweile wirklich eine für mich ideale Routine geschaffen, um so vieles wie möglich gleichzeitig zu tun, einen zeitlichen Unterschied macht es trotzdem nie.
Meistens essen wir dann gegen 22 Uhr zu Abend und gehen danach noch eine große Runde mit Mika. Länger als eine Stunde dauert die aber auch nicht und zweimal pro Woche hat mein Chaos-Köpfchen Deutsch- und ich Katalanischunterricht, was wir uns gegenseitig beibringen. Danach Licht aus – gute Nacht!

Sagen wir, das ist der heftigste Fall. Also der Fall der Tage, wo die Zeit verfliegt und man sonst wirklich zu nichts anderem kommt. Es ist natürlich nicht jeden Tag so, allerdings wirklich produktiv fühle ich mich manchmal nicht so richtig, da ich manchmal gefühlt noch tausend andere Dinge zu tun habe. Ich habe es übrigens auch schon getestet, zwei Stunden früher aufzustehen und alles genauso zu tun. Das bringt nichts, zum Frühstücken komme ich trotzdem erst um 12 Uhr mittags. Ich habe es auch schon getestet, mir Timer zu stellen oder die Zeit zu stoppen, wie lange ich für welche Dinge brauche, damit am Abend nicht wieder das Gefühl auftritt, dass ich eigentlich den ganzen Tag noch nicht wirklich etwas außer den täglichen Alltag getan habe. Als wenn man so in den Tag hineinlebt, auf eine andere Art und Weise. Wahrscheinlich werden das einige nicht verstehen, da jeder ja in irgendeiner Form seinen Alltag bewältigen muss und unserer sieht halt so aus. Jedoch wird dem Alltag von anderen Menschen keine Zeit geklaut, sondern sie schaffen es, abends Netflix zu schauen, morgens Zeitung zu lesen und allein einen gesamten Haushalt zu schmeißen. Ich beobachte das alles sehr argwöhnig.
Ich habe meines Wissens nach alles Menschenmögliche versucht, um irgendetwas in meinem Zeitplan zu optimieren, jedoch bin ich jeden Tag nicht vor 12 Uhr mit dem Hund fertig, völlig egal, wann ich morgens aufstehe. Es ist höchst kurios, dass die zwei Stunden, die man eigentlich mehr hat, auf einmal weg sind. Man sucht sie, aber sie sind weg und kommen auch nicht wieder. Dabei fühlt man sich eigentlich auf der sicheren Seite, wenn man morgens spazieren geht und es noch nicht ganz hell ist. Pustekuchen. Die Uhr tickt und am Ende spuckt sie dir das gleiche Ergebnis aus. Ich frage mich jeden Tag, was ich wo noch besser machen kann, aber die Stunden verfliegen einfach und sind weg. Wenn ich abends nach dem Essen und nach meiner Katalanischlektion duschen gehe, könnte ich schwören, nicht länger als eine halbe Stunde zu brauchen, jedoch kommen wir nie vor um 1 Uhr nachts ins Bett. Es ist seltsam, weil man ja eigentlich spätestens um 12 das Sprachenzeug vom Tisch geräumt und sich bettgehfertig gemacht hat. Die zusätzliche halbe Stunde ist auch weg. Vor allem an den Tagen ohne Sprachunterricht, an denen man dann eigentlich noch zusätzlich eine Stunde mehr hat, ist das interessant, da wir trotzdem auf das gleiche Schlafergebnis kommen.
An Tagen, an denen wir zusätzlich abends noch weggehen und sei es nur um die Ecke in die Bar zum Fußballgucken, wird es noch eigenartiger. Das Fußballspiel ist ungefähr um 11 zuende, wir haben dort vor Ort etwas gegessen und gehen nach Hause. Ich betone noch einmal, die Bar ist um die Ecke und man läuft dahin zwei Minuten. Manchmal gehen wir direkt nach dem Fußballspiel (BARCELONA, OLÉ!), was wie gesagt um 11 (!!!) zuende war, nach Hause, kommen aber erst um 1.30 Uhr an. Ich komme mir dann immer vor wie in einer schlechten Parodie von “Zurück in die Zukunft”, da zweieinhalb Stunden irgendwie in zwei Minuten hineinpassen. Doktor Emmett Brown hätte bestimmt die richtige Bezeichnung dafür. Ich für meinen Teil verstehe es einfach nur nicht.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Ich habe an drei ausgewählten Tagen stichpunktartig Tagebuch geführt, um dieses Phänomen möglichst genau und wahrscheinlich auch ziemlich pseudowissenschaftlich (bitte nicht ernst nehmen) zu dokumentieren. Zusammen mit meinem Chaos-Köpfchen, der sich an diesem Experiment nur zu gern beteiligt hat, wurde jede Uhrzeit und jede Zeitdauer akribisch aufgeschrieben. Wie lange brauchen wir von der Küche ins Wohnzimmer? Wie lange bin ich mit Mika draußen? Wie lange brauchen wir zum Kochen? Alles nur für meine Theorie. Legen wir los!

Tag 1: Dienstag, 2.10.18 (ein völlig normaler Dienstag, nur so fürs Protokoll!)

7 Uhr morgens: mein Chaos-Köpfchen steht auf und verlässt um 7.30 Uhr das Haus. Eine halbe Stunde später schäle ich mich aus dem Bett und suche mir Klamotten zusammen.

8.35 Uhr: WHAT?! Eine halbe Stunde zum Anziehen und im Bad? Aha, na gut, vielleicht schlafe ich noch. Dann machen wir uns mal ans Werk. Ich begrüße Mika und schnappe mir Schlüssel, Leine und Tüten, um mit ihr rauszugehen.

9.17 Uhr: Wir sind zurück in der Wohnung, irgendwie kam mir die Runde um den Block durch den Park und an der Apotheke vorbei nicht so lang vor, aber beschweren werde ich mich nicht, unser Hund Mika braucht nun einmal viel Aufmerksamkeit.

9.25 Uhr: Ich fange an mit Mikas Morgenpflege. Sie muss eingecremt werden, ihre Tablette nehmen und bekommt Ohrentropfen. Danach führt mein Weg in die Küche und ich wärme ihr Futter auf, was noch von gestern im Kühlschrank stand. Das ist das Letzte, danach muss ich neues kochen.

12.21 Uhr: Ich fange an, die Küche sauber zu machen und Futter für Mika zu kochen. Anfangszeit wird stirnrunzelnd notiert. Natürlich nimmt das Eincremen viel Zeit in Anspruch, aber 3 Stunden bestimmt nicht. Wenn mein Chaos-Köpfchen sie eincremt, braucht er maximal 20 Minuten, nehmen wir also an, dass ich mangels Erfahrung mit Hunden das Doppelte brauche. Ich würde sogar noch 20 Minuten mehr oben drauf packen, da ich immer sehr viel mit Mika zwischendurch kuschle und spiele, weil die Prozedur natürlich auch sie und ihre empfindliche Haut anstrengt. Um ihr Ohrentropfen und eine Tablette zu geben, kommen noch 15 Minuten hinzu, weil ich jetzt für die Wissenschaft (haha, schenkt mir noch mehr Aluhüte!) alles hochrechnen werde. Sagen wir also, ich brauche nicht länger als 1 Stunde und 15 Minuten mit Mika, wie kann es da 12.21 Uhr sein? Das sind 2 Stunden und 41 Minuten, die einfach so verschwinden, irgendetwas kann da nicht hinhauen.

13.17 Uhr: Ich habe mich extrem beeilt und das Futter für Mika und die Küche fertig. Das heißt, jetzt bekommt endlich der Menschling sein Frühstück. Meistens esse ich Joghurt mit Obst oder unsere All-Time-Favorite-Croissants aus dem Supermarkt um die Ecke. Ich nehme mir immer Zeit für mein Frühstück, dies ist also die einzige Stunde, die ich mir wirklich voll und ganz eingestehe. Die darf gerne gemopst werden.

14.31 Uhr: Das Frühstück wird weggeräumt und ich begebe mich unter die Dusche, da ich immer noch nach Hund rieche.

15.53 Uhr: Ich könnte schwören, nicht länger als 15 Minuten unter der Dusche gestanden zu haben, das macht also 1 Stunde und 7 Minuten, die wegfallen. Auf dem Konto der geklauten Stunden sind somit also schon 3 Stunden und 48 Minuten.

16.02 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen kommt heute früher von der Arbeit, da wir später einen Termin im Apple-Shop haben, um sein Handy zu reparieren. Ich wärme uns schnell etwas zu essen auf, was noch von gestern Abend übrig war (zum Kochen war ja auch keine Zeit, wie ihr feststellen konntet). Wir essen sehr schnell. Gleichzeitig bekommt auch der Hund sein Futter.

16.30 Uhr: Wir machen uns auf dem Weg zum Apple-Shop. Ich begleite ihn, da wir das erstens mit einem Spaziergang mit Mika verbinden und zweitens Zeit zum Reden haben. Außerdem müssen wir später mit Mika zum Tierarzt, da ihr Shampoo und ihre Ohrentropfen leer sind.

16.58 Uhr: Wir erreichen den Apple-Shop, müssen allerdings noch eine halbe Stunde warten, bis wir dran sind. Der eigentliche Termin dauert laut Uhr 27 Minuten, jedoch verlassen wir den Laden nach drei Abschiedssätzen mit einer Mitarbeiterin um 18.13 Uhr. Wenn man davon ausgeht, dass unser Termin um 17.30 Uhr anfing, wir 27 Minuten dort beschäftigt waren, dann müssten wir uns theoretisch 16 Minuten von der Mitarbeiterin verabschiedet haben, was ich mir nicht vorstellen kann, also wandern diese 16 Minuten knallhart aufs Konto, womit wir bei 4 Stunden und 4 Minuten wären.

18.14 Uhr: Wir kaufen eine Waffel für mein Chaos-Köpfchen und einen Frozen Yoghurt für mich.

18.37 Uhr: Das Süßzeug wurde verputzt, dem Hund ist langweilig, also machen wir uns wieder auf den Weg, schließlich müssen wir noch zum Tierarzt.

18.52 Uhr: Wir kommen beim Tierarzt an. Mika jault, wahrscheinlich weil sie weiß, was ihr normalerweise in diesem Gebäude blüht. Dabei liegt sie heute falsch, da wir nur Tropfen und Shampoo kaufen wollen.

19.56 Uhr: Wir verlassen den Tierarzt. Wir haben wirklich nur Shampoo und Ohrentropfen gekauft. Na gut, die Tante hinter der Anmeldung hat telefoniert, als wir kamen, ich gebe ihr gute 10 Minuten. Sie hatte unser Zeug vorrätig und musste es nur aus einem Schränkchen holen, das hat vielleicht 5 Minuten gedauert. Ich bin mal so friedlich und gebe dem Bezahlprozess weitere 5 Minuten, also 20 Minuten beim Tierarzt. Verlassen haben wir das Gebäude aber erst nach 1 Stunde und 4 Minuten. Ich lege also 44 Minuten aufs Konto, schaue auf 4 Stunden und 48 Minuten und bin mit meinem Latein am Ende.

20.38 Uhr: Es regnet in Strömen und wir mussten nach Hause laufen. Mika hasst neben dem Tierarzt übrigens auch Wasser, daher sind wir meines Erachtens nach recht schnell nach Hause gelaufen. Für einen Weg, für den man im trockenen Zustand 10 Minuten braucht, haben wir im nassen und schnellen Zustand 42 Minuten gebraucht. Man läuft im Regen ohne Regenschirm ja auch viel langsamer, vollkommen klar. Die 32 Minuten, die zu viel sind, kommen aufs Konto. Wir haben jetzt 5 Stunden und 20 Minuten.

20.42 Uhr: Es wird beschlossen, den nassen Hund zu baden. Für die arme Mika bedeutet das die Apokalypse pur an diesem eh schon fatalen Tag mit Tierarzt und Regen. Wir teilen uns die Arbeit, so dass mein Chaos-Köpfchen den Hund in die Badewanne steckt und ich uns etwas zu essen mache. Da ich nicht so genial kochen kann wie er (eigentlich überhaupt nicht), gibt es an diesem Abend kein Kunstwerk, sondern etwas an Gemüse, was ich zusammen mit Sahne, Gewürzen und passierten Tomaten in die Pfanne geschmissen habe.

21.37 Uhr: Mika ist trockengeföhnt und beleidigt, wir geben ihr ihr Abendessen, während mein Experiment aus der Pfanne dann auch endlich verspeist werden kann.

22.45 Uhr: Wir räumen die leeren Teller zur Seite. Ich mache uns Tee, während mein Chaos-Köpfchen unter die Dusche springt. Wir sind über 1 Stunde mit essen beschäftigt gewesen. Das ist okay, beim Essen nehme ich die Zeit nicht weg, das sollte halt so lange dauern, wie es dauert. Eigentlich wollten wir an diesem Abend noch eine Runde Deutschunterricht machen, aber nach dem Marsch durch den Regen ist uns einfach nur nach kuscheln auf dem Sofa.

23.01 Uhr: Mika schläft und wir landen mit Tee endlich auf dem Sofa. Im Fernsehen läuft Big Bang Theory, was auf Spanisch tausendmal besser ist als auf Deutsch oder Englisch. Wir gucken 2 Folgen.

1.07 Uhr: Nach einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass 2 Folgen offensichtlich 126 Minuten lang gehen. Laut Wikipedia (Prinz George lässt grüßen) geht eine Folge aber ca. 21 Minuten, zusammen also 42 Minuten. Wenn man vielleicht noch 20 Minuten Werbung miteinbezieht (die im spanischen Fernsehen wirklich omnipräsent viel vorkommt), kommt man auf 1 Stunde und 2 Minuten. Es kommen also 1 Stunde und 4 Minuten aufs Konto und wir sind bei 6 Stunden und 24 Minuten. Wir gehen nicht noch einmal mit dem Hund raus, obwohl wir das normalerweise abends nach dem Essen noch einmal tun. Aber Mika ist erstens frisch gebadet und nicht mehr gewillt, noch einmal für uns aufzustehen, zweitens regnet es immer noch und drittens waren wir mit ihr lange genug draußen, so dass sie bis morgen früh durchhält. Aber normalerweise drehen wir immer noch eine kleine Abendrunde und entweder werden mir die letzten anderthalb Stunden auf dem Sofa oder bei meiner Runde mit Mika geklaut, das Ergebnis ist stets das Gleiche.
Ich hüpfe lediglich unter die Dusche (die Zeit benimmt sich immerhin friedlich) und wir machen uns bettfertig.

1.33 Uhr: Wir fallen todmüde ins Bett und besprechen kurz Dinge, die am nächsten Tag anstehen. Aber irgendwann ist dann jeder in seiner Traumwelt. Gute Nacht!

Ergebnis: 6 Stunden und 44 Minuten! Bei Rechen- oder Logikfehlern bitte ich um Korrektur. Auch bei Tipps, wie ich etwas schneller oder besser machen kann. Diese Tagesbeschreibung besteht lediglich aus Beobachtungen. Ich sagte ja bereits, dass mir jeden Tag so um die 5 Stunden genommen werden, an diesem Tag war es mit fast 7 Stunden der Extremfall, was nur gelegentlich auftritt. Es sind mal 4 und mal 6 Stunden, aber meistens jeden Tag so ungefähr 5.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Tag 2: Donnerstag, 4.10.18 (ein normaler Arbeitstag, möchte man meinen)

9.00 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen hat heute frei, daher erlaube ich mir, bis um 9 zu schlafen, da wir dann ja theoretisch zu zweit sind, um alles zu erledigen. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellen sollte. Ich springe um 9 aus dem Bett (springen: wie ein altes Wiesel, am Straßenrand vor sich hin vegetierend, vor drei Tagen überfahren. Ein Morgenmensch war ich noch nie) und lasse mein Chaos-Köpfchen noch eine Stunde schlafen. Zuerst bekommt der Hund seinen Spaziergang und danach sein Frühstück.

9.28 Uhr: Ich fange heute zuerst an, das Futter für Mika zu kochen, denn eincremen und Ohrentropfen übernimmt heute mein Chaos-Köpfchen, wenn er aufsteht. Gleichzeitig mache ich unser Frühstück.

10.03 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen quält sich aus dem Bett. Er ist noch weniger Morgenmensch als ich. Er ist muffelig drauf, was sich aber nach dem Frühstück und einem Kaffee wieder gibt. Das Futter für Mika ist danach auch fertig.

12.37 Uhr: Ich frage mich ja, wer 2 Stunden und 34 Minuten frühstücken kann. Wir schaffen das anscheinend. Aber da ich gesagt hatte, das beim Essen nichts weggenommen wird, kommt nichts auf Konto und wir wundern uns lediglich. Mein Chaos-Köpfchen beginnt mit Mikas Fellpflege und ich räume das Frühstück weg. Es beginnt ein weiteres Paradoxon im Raum-Zeit-Kontinuum.

13.05 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen kommt zu mir in die Küche, da er mit Mika fertig ist. Wie gesagt, er braucht meistens so um die 20 Minuten. Die Uhrzeit entnehmen wir seinem Handy und denken uns nichts Unnormales. Ich verlasse die Küche, um mein Handy zu holen, da wir zum Markt wollen und Google fragen müssen, ob der noch auf hat.

13.39 Uhr: Mein Handy zeigt diese Uhrzeit an. Zur Erinnerung, ich habe es gerade geholt. Das kann nun wirklich nicht mehr als 10 Sekunden gedauert haben. Ungläubig vergleichen wir unsere Handys und auch das meines Chaos-Köpfchens hatte diesen unerklärlichen Zeitsprung. Sind wir völlig bekloppt? Was ist das? Manchmal macht mir das Angst. Die ersten 34 Minuten für heute kommen aufs Konto.

13.46 Uhr: Wir machen uns auf dem Weg zum Markt. Wir brauchen Gemüse, womit wir Mikas Futter mischen, außerdem will ich den Kühlschrank etwas auffüllen. Wir nehmen Mika mit, die sich aufführt, als wären wir 10 Tage mit ihr nicht draußen gewesen. Man braucht von zu Hause bis zum Markt 16 Minuten (auch diese Zeit habe ich schon einmal gestoppt) und wir erreichen ihn heute mit Hund nach 17 Minuten, das ist also okay. Wir gehen zu unserer Stamm-Gemüse-Tante und kaufen Kürbisse, Zucchini, Karotten, Bohnen und noch vieles mehr. Beim Bezahlen frage ich die Kassiererin, wie spät es ist. Nur so, da ich vermutlich meiner eigenen Uhrzeit nicht mehr so wirklich traue.

14.32 Uhr: Die Verkäuferin teilt mir diese Uhrzeit mit. So weit, so gut. Mein Chaos-Köpfchen nimmt unseren Einkaufswagen, geht noch zum Fischstand, wo keine Menschenseele ist (er hat mir danach erzählt, dass er nach einem Blick auf die Uhr nicht mehr als 6 Minuten dort gebraucht hat) und ich gehe den Hund holen, der leider immer draußen warten muss. Wir treffen uns draußen wieder und schauen beide automatisch auf die Uhr.

15.02 Uhr: Es gibt keine Worte mehr dafür. Ich fühle mich ehrlich gesagt immer mehr, als würde ich euch erklären, wie verrückt ich eigentlich wirklich bin, dabei versuche ich doch eigentlich, das genaue Gegenteil zu erreichen. Ihr müsst mich verstehen, ich war nur den Hund holen und mein Chaos-Köpfchen nur 6 Minuten am Fischstand und ist danach mit dem Fisch zu mir nach draußen gekommen. Und so groß ist der Markt auch nicht, dass man Lichtjahre braucht, um ihn wieder zu verlassen. Es kommen also 24 Minuten aufs Konto, wir haben 58 Minuten. Das ist für die Tageszeit eigentlich eine Top-Bilanz, aber schon oft hat sich alles mitten in der Nacht entschieden.

15.22 Uhr: Wir sind wieder zu Hause und müssen uns jetzt etwas beeilen. Ich verstaue den Einkauf und mein Chaos-Köpfchen macht mir etwas zu essen, da ich in einer halben Stunde los zur Arbeit muss. Ich arbeite übrigens wieder im Kindergarten, wo ich zuerst schon Praktikum gemacht habe. Es ist super süß und macht mir viel Spaß.

15.42 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen hat mir in Rekordzeit etwas zu essen gemacht, während ich meine Arbeitssachen zusammen gesucht habe. Ich sehe meine Mama schon vor mir, dass ich das ja auch hätte gestern machen können, um heute mehr Zeit zu haben. Jedoch macht das nicht wirklich einen Unterschied, noch mal zum Mitschreiben: Zeitangaben sind bei uns hinfällig, ich kann machen, was ich will. Eigentlich könnten wir unsere Uhren auch wegschmeißen und schauen, was dann passiert.

16.03 Uhr: Ich habe alles in mich hineingeschaufelt und fahre mit der Metro zu Arbeit. Ich brauche eine knappe Stunde zur Arbeit, die Zeit ist gnädig mit mir.

16.59 Uhr: Ich betrete den Kindergarten. Meine Aufgabe besteht heute darin, zwei Kindern Englischunterricht zu geben. Anscheinend traut sich die Zeit nicht, auch meine Chefin zu beklauen, somit bin ich pünktlich fertig.

19.24 Uhr: Ich fahre wieder nach Hause. Normalerweise arbeite ich dort nur freitags, um das dann später mit der Uni kombinieren zu können, an diesem Tag bin ich nur für jemanden eingesprungen. Ansonsten verbringe ich dort mehr als 2 Stunden. Mein Chaos-Köpfchen schreibt mir, dass er zum Supermarkt gegangen ist, um Getränke zu kaufen. Auch das machen wir immer dann, wenn er frei hat, da mir ärztlich verboten wurde, schwere Dinge zu tragen.

19.35 Uhr: Ich steige in den Zug und lasse die Uhrzeit nicht aus den Augen. Mein Chaos-Köpfchen schreibt mir und fragt, wie lange ich noch brauche. Noch 20 Minuten bis nach Hause. Er hat den Schlüssel in der Wohnung vergessen. Hach ja. Spätestens jetzt ist klar, wie er zu seinem Blog-Namen gekommen ist.

20.29 Uhr: Ich komme zu Hause an. Mein Chaos-Köpfchen steht vor der Haustür mit dem Einkauf und einem befreundeten Pärchen, das zwei Stockwerke über uns wohnt. Es stellt sich heraus, dass die Beiden sich ebenfalls ausgesperrt haben (alles Latinos, kein Kommentar). Wir nehmen die Beiden mit zu uns, bis ihre Mitbewohner nach Hause kommen.

20.47 Uhr: Ich mache für die gesammelte Mannschaft deutschen Tee (der Teeladen meines Vertrauens in Leipzig hat leider immer noch keinen Online-Shop) und mein Chaos-Köpfchen muss seine allerneusten Deutschfortschritte zum Besten geben.

21.20 Uhr: Die Beiden verabschieden sich und gehen in ihre Wohnung. Wir machen uns etwas zu essen.

22.16 Uhr: Wir setzen uns hin und essen. Mein Chaos-Köpfchen trinkt seinen dritten deutschen Tee (wenn er einmal anfängt, kann er nicht mehr aufhören).

22.56 Uhr: Wir sind überraschend schnell fertig und gehen noch mit Mika raus. Ich bin absolut misstrauisch, da wir den ganzen Tag nicht mehr als 58 Minuten verloren haben. Da ich dem Frieden nicht mehr traue, wagen wir ein Experiment und schauen, was passiert. Wir gehen nicht lange mit Mika spazieren, sondern nur meine morgendliche Runde um den Block. Die dauert 11 Minuten, wenn man langsam geht (auch bereits getestet). Und tatsächlich, als wir nach Hause kommen, erwartet uns die unfassbare Überraschung.

3.08 Uhr: Ungelogen. Ich schwöre es. Ich schaue aufs Handy. Einmal, zweimal, zehnmal. Die Uhrzeit ändert sich nicht, sondern springt nur ganz teilnahmslos auf 3.09 Uhr. Ich habe mir das nicht ausgedacht, wir beide haben eine Weile fassungslos auf dem Sofa gesessen. Wir sind keine 4 Stunden und 12 Minuten draußen gewesen, ganz bestimmt nicht, das ist völlig unmöglich. Eine halbe Stunde gestehe ich uns ein, aber 3 Stunden und 42 Minuten kommen aufs Konto. Somit ist die finale Bilanz 4 Stunden und 40 Minuten. Ich habe gesagt, dass sich das Ganze schon so oft in der Nacht entschieden hat. Wir duschen beide nacheinander kalt, das hilft, um nicht wahnsinnig zu werden. Ein frustriertes Gute Nacht.

Ergebnis: Ich bin nicht verrückt, oder? Wir beide sind es nicht. Mein Chaos-Köpfchen sagt, dass es viele Stories über Zeitempfinden gibt, er erzählte mir sogar von einer aus der Bibel. Wir reden oft darüber, weil uns dieses Phänomen wirklich jeden Tag beschäftigt. Er hat die gleiche Wahrnehmung wie ich, vor allem abends wird es höchstgradig kurios. Allerdings tatsächlich nur hier, in Deutschland haben wir die Zeit nicht so empfunden. Da konnte man ganz gemütlich zu meinem Lieblingsort aus der Kindheit spazieren, war dort eine Weile und hatte noch genug Zeit, um wieder zurückzulaufen, tausend Abstecher zu machen und pünktlich am Abend zum Grillen da zu sein. Wir sind wahrscheinlich in drei Stunden durch meinen gesamten Heimatort gewandert (wer Neukloster sowie meinen Lieblingsort Neumühle kennt, weiß, von welchen Entfernungen ich rede). Es fehlte danach nicht eine einzige Minute.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Tag 3: Mittwoch, 10.10.18 (immer noch ein normaler Tag, ich weigere mich, das Wochenende zu nehmen, da es das Ergebnis verfälscht)

8 Uhr: aufstehen, wieder wie so ein Wiesel. Meine Morgenroutine ist normal, ich kümmere mich um Mika.

12.08 Uhr: Immerhin bin ich schneller als gestern gewesen, dennoch sind 2 Stunden und 12 Minuten weg. Ich mache mir mein Frühstück.

13.15 Uhr: Frühstück wird weggeräumt. Ich beeile mich, ein bisschen die Wohnung aufzuräumen. Eine Waschmaschine wird angeschmissen, die kann nebenbei laufen. Ich fege die Hundehaare zusammen und wische den Boden. Danach bekommt Mika noch die Krallen geschnitten.

14.38 Uhr: Die Waschmaschine ist fertig. Unsere Waschmaschine zeigt die Zeit an und läuft immer genau 1 Stunde und 23 Minuten. Zeitlich passt das also, was mich sehr zufrieden macht. Danach passiert wieder etwas Seltsames…

14.59 Uhr: Ich habe die gesamte Wäsche aus der Waschmaschine geholt und in den Wäschekorb getan. Ich habe noch nicht ein Kleidungsstück aufgehängt, noch nicht einmal den Wäschekorb an den Ort zum Aufhängen gebracht. Wer braucht bitte 21 Minuten, um die Wäsche von A nach B zu schubsen? Ich ziehe 5 Minuten davon ab, die ich für einen sehr langsamen Menschen friedlicherweise dafür einplanen würde, und packe die restlichen 16 Minuten aufs Tageskonto, womit wir für heute schon bei 2 Stunden und 28 Minuten wären.

16.01 Uhr: Ich fange an, die Wäsche aufzuhängen. Danach räume ich noch das Zeug zusammen, das mein Chaos-Köpfchen liegen gelassen hat.

16.35 Uhr: Mika und ich drehen draußen eine Runde. Sie jagt Tauben und ich schreibe Tagebuch.

17.02 Uhr: Wir kommen zurück nach Hause. Die Zeit benimmt sich friedlich, aber ich rieche den Braten. Das schreit nach etwas Neuem, was sie ausgeheckt hat. Ich mache schnell eine Tütensuppe, da mein Chaos-Köpfchen gleich nach Hause kommt.

17.10 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen ist angekommen und wir essen schnell einen Teller Suppe.

17.23 Uhr: Wir gehen zum Latino-Laden, der 10 Gehminuten entfernt ist, die auch tatsächlich eingehalten werden. Danach wandern wir weiter, kaufen unterwegs Kartoffeln und landen in der Fleischerei.

17.45 Uhr: Mein Chaos-Köpfchen ist absoluter Fleischfresser und wir haben keins mehr. Die Zeit will sich immer noch bei mir einschleimen, es kommt nichts hinzu. Letztens habe ich die Zeit, um vom Latino-Laden zur Fleischerei zu gehen, genauestens protokolliert und somit ist das zusammen mit dem Kartoffel-Abstecher voll okay. In der Fleischerei läuft immer Salsa-Musik und der Typ hinter der Theke packt uns gut gelaunt das zusammen, was wir haben wollen. Um die Wartezeit zu überbrücken, bekomme ich spontan meine nächste Salsa-Lektion von allen Anwesenden, inklusive dem Typen hinter der Theke mit dem Messer in der Hand. Mein Chaos-Köpfchen hat angefangen und alle haben etwas dazu beigetragen. Ich bin also mit Fleisch und um einige Tanzschritte reicher wieder aus der Fleischerei rausgegangen. So etwas gibt es vermutlich nur in Spanien und macht mich sehr froh.

18.32 Uhr: Wir machen uns mit unserer Beute auf den Heimweg.

18.47 Uhr: Wir kommen zu Hause an. Es sind immer noch nur 2 Stunden und 28 Minuten, ich bin für alles gewappnet. Diesem Frieden kann man nicht trauen.

18.49 Uhr: Mein Vater hat Geburtstag und wir sitzen mit Handy auf dem Sofa, um ihm über Whatsapp-Videoanruf zu gratulieren. Und nun zeigt sich, wie Recht ich hatte. Die Zeit hat viel zu lange die Füße still gehalten.

20:38 Uhr: Nachdem wir das Gespräch beendet haben, schaue ich sofort auf die Uhr. Angeblich haben wir also 1 Stunde und 49 Minuten telefoniert. Da mir das komisch vorkommt, schaue ich bei Whatsapp nach. Dort beträgt die Dauer unseres Anrufs knapp 45 Minuten. Das ist somit der Beweis, dass entweder alle Uhren in unserem Haus falsch gehen, wir verrückt sind oder ich verdammt nochmal Recht habe. Uns wird Zeit weggenommen. Die 64 Minuten kommen aufs Konto, somit wären wir bei 3 Stunden und 32 Minuten.

20.40 Uhr: Ich setze mich vor meinen Computer, um dem Freund meiner Schwägerin (der Freund der Schwester meines Chaos-Köpfchens klingt ja auch verdammt kompliziert) einen Gefallen zu tun. Das dauert nicht sonderlich lange und ich beobachte akribisch die Uhr.

21.01 Uhr: Ich bin damit fertig. Spontan entscheiden wir, mit Freunden und Kino zu gehen. Mein Chaos-Köpfchen und ich ziehen uns dafür um.

21.34 Uhr: Der beste Freund meines Chaos-Köpfchens holt uns ab. Wir sind sechs Leute. Die Entscheidung fällt auf “Venom”, was sich nicht als die allerbeste Wahl herausstellte. Vorher holen wir uns etwas zu essen. Der Film beginnt um 22.30 Uhr.

0.33 Uhr: “Venom” ist zuende und wir verlassen das Kino. Wir werden wieder nach Hause gebracht.

0.45 Uhr: Wir sind wieder zu Hause und mein Chaos-Köpfchen lässt sich aufs Sofa fallen. Ich gehe in die Küche, um das restliche Essen in den Kühlschrank zu stellen, das wir aus dem Kino mitgebracht haben.

1.44 Uhr: Das ist die Zeit, die die Uhr anzeigt, als ich aus der Küche zurück ins Wohnzimmer komme. 5 Minuten von mir aus für sehr langsame Menschen, aber 59? Mein Chaos-Köpfchen hat übrigens die gleiche Wahrnehmung, sonst hätte er mich gefragt, was ich so lange gemacht habe. 54 (also 59 – 5) kommen aufs Konto und wir haben als Ergebnis 4 Stunden und 26 Minuten. Ich bin so verwirrt, dass ich frustriert schlafen gehe.

Ergebnis: Vielleicht bin ich verrückt. Ich versuche, mir das jeden Tag auszureden, aber das ist verdammt schwer, wenn jeden Tag so viel Zeit wegfällt. Und wir reden nicht von von ein paar Minuten, sondern täglich von mehreren Stunden. Vermutlich sollte man das alles viel ruhiger und gelassener betrachten, um sich nicht unnötig noch verrückter zu machen. Und irgendwann wird vermutlich auch der Tag eintreten, an dem ich mich damit abgefunden haben werde, dieser Moment ist noch fern, zurzeit will ich einfach vor allem nur wissen, wie zum Teufel das funktionieren kann.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Ich habe diesbezüglich schon sehr viele Selbstexperimente getrieben. Wie gesagt, zwei Stunden früher aufstehen war eines davon. Oder aufstehen und alles genauso tun, wie ich es in Deutschland getan habe, selbst an Tagen, an denen ich arbeiten musste. Ständig auf die Uhr schauen. Keine Pausen einlegen. Ein weiteres Experiment war es auch, von allem nur die Hälfte zu machen und später dann die andere Hälfte. Das hat bei weitem am schlechtesten abgeschnitten, denn an diesem Tag hatte ich nach dem Abendessen immer noch eine Waschmaschine am Laufen, die erst noch aufgehängt werden wollte.
Vielleicht bin ich einfach nur eine grottenschlechte Hausfrau (was ich nicht unterschreiben würde, in Leipzig hat es ja irgendwie auch funktioniert), vielleicht ist es eine Umgewöhnung, auf einmal zu zweit zu leben (was schon eher der Fall sein kann, da man sich mit der anderen Person erst zusammenraufen muss) oder vielleicht ist einfach an meiner Theorie etwas dran. Selbst am Wochenende, wenn eigentlich zwei Leute da sind, um sich die Aufgaben zu teilen (meistens macht mein Chaos-Köpfchen alles, was mit dem Hund zu tun hat und kocht zusätzlich, ich kümmere mich um den restlichen Haushalt) und wir irgendwann endlich mal ein bisschen Zeit haben, um uns aufs Sofa zu packen und nichts mehr zu tun, dann bleibt dieser Zustand ungefähr eine Stunde, weil man dann auf die Uhr schaut und feststellt, dass es schon wieder elendig spät ist und der Hund sowie beide Menschen etwas zu essen brauchen. Und mir kann keiner erzählen, dass man einen ganzen Vormittag braucht, um das Bad sauberzumachen, selbst wenn man noch so langsam ist. So langsam kann selbst ich nicht sein.

Es ist ziemlich verflixt, da man dadurch nicht wirklich zu etwas kommt. Wenn mich Freunde fragen, ob ich abends Zeit zum Skypen habe, dann gilt es, das irgendwie einzuschleusen, selbst duschen wird dann abends manchmal zu einem Tagesordnungspunkt, von diesem Blogpost oder den Fotos einmal ganz zu schweigen. Und ich frage mich einfach nur, WIESO?

Es ist natürlich wirklich so, dass die Zeit in Spanien etwas langsamer und gemütlicher läuft, aber dass sie dir Zeit wegnimmt, hätte ich nicht gedacht. Und anders kann ich es mir irgendwie auch nicht erklären. Das Raum-Zeit-Kontinuum klaut mir jeden Tag um die fünf Stunden. Du schaust auf die Uhr und es ist, als würde der Zeiger eine Stunde vorspringen, wo er doch eben noch eine völlig andere Zeit angezeigt hat. Meine persönliche innere Uhr ist hier komplett aus den Fugen geraten, weil man sie durch das spanische Leben nicht mehr unbedingt braucht. Wir sind nämlich kein Einzelfall. Bei meinem Recherchen (pseudowissenschaftlich, haha) habe ich mit vielen Leuten gesprochen. Mit Freunden meines Chaos-Köpfchens, mit meinen eigenen Freunden, die ich hier gefunden habe, völlig egal, welche Nationalität sie haben, für alle läuft das Leben ähnlich ab. Man verabredet sich, um abends wegzugehen, jedoch kommen wir immer erst eine Stunde später los, was aber kein Drama darstellt, da es auf der anderen Seite ähnlich aussieht. Ich kann mich nicht darüber beklagen, es ist nicht so, dass ich diesen Zustand, der von einem aufgeräumten Deutschen eiskalt als “In-den-Tag-hinein-leben” bezeichnet werden würde, nicht mag, er verwundert mich nur immer wieder. Deshalb habe ich diese Theorie mit den 19 Stunden entwickelt.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Vielleicht bin ich auch einfach nur verrückt?

Was ist Zeit eigentlich? Vorher habe ich nie auf sie geachtet. In Deutschland nimmt man sie sich auch nicht. Ich war da auch nicht anders. Mir ging es wie der Tante in “Eat, pray, love”, ich wollte nicht mehr so zeitintensiv leben, dass ich nicht mal mehr wusste, was ich an diesem Tag zum Mittag gegessen hatte. Die Zeit überschlägt sich und spätestens eine Stunde später spielte es keine Rolle mehr. Ich habe es mit meditieren versucht, um einen Ausgleich in diesem zeitlichen Konsum zu schaffen, aber es hat nicht funktioniert. Meine innere Uhr tickte sekundengenau und das machte mich nervös. Da konnte auch alle Meditation nichts ausrichten. Ich las “Momo”, seit vielen Jahren wieder, einmal, zweimal, zehnmal. Ich konnte keinen Gefallen an Herzen ohne Zeit finden, ich konnte das Ticken meiner inneren Uhr nicht mehr hören. In Barcelona angekommen schien Momos Welt real, man kann dem Gras bei Wachsen zusehen und es ist einfach nicht wichtig, wie die Zeit dabei verfliegt. Meditieren funktioniert besser, weil es einfacher fällt, sein Herz zu beruhigen und nicht mehr alles auf einmal machen zu müssen. Insofern stört es mich nicht, mich hin und wieder unproduktiv zu fühlen, in den Tag hineinzuleben und auf meine eigene Art auch irgendwie nicht, es stört mich nicht, hin und wieder nicht erreichbar zu sein, weil ich keine Zeit habe, um mit Leuten zu sprechen (die entsprechenden Leute mögen das bitte nicht falsch verstehen). Oder wahrscheinlich hätte ich die Zeit sogar und lasse sie mir freiwillig wegnehmen, ohne zu verstehen, warum. Das beweist mir lediglich, dass meine Theorie gar nicht bewiesen werden will und dass mein Herz nach Spanien gehört. Und dort ist es jetzt zu Hause.

©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona
©David Beltran, Laberinto de Horta, Barcelona

Schatzkistensammlung

©P. Mader, *siehe ganz unten!
©P. Mader, *siehe ganz unten!

Ich habe schon immer viel geschrieben. Tagebuch, Geschichten, nun Blog, haufenweise Zettel voller Gekritzel, Gedanken, Erinnerungen. All das bewahre ich in einer Schatzkiste auf. Andere tun vielleicht Gegenstände in so eine Kiste, ich habe ein reines Zettelchaos dort drin. Texte auf deutsch, französisch, spanisch, englisch und teilweise findet sich auch ein Schriftstück auf rumänisch an. Ich bezeichne es als Schatzkistensammlung, weil diese Papiersammlung mich ausmacht. Meine größten materiellen Schätze stehen sowieso im Bücherregal, jedoch die kleinen, die allerkleinsten, die Details, die kennt niemand anderes als diese Kiste.

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Mein neues Zuhause Barcelona vermisst mich, ich bin im Moment in Deutschland auf Heimaturlaub. Einfach, weil es noch so viele Dinge zu erledigen, kündigen, kontrollieren und sortieren gab. Beim Sortieren habe ich in meiner Schatzkiste einen Text gefunden, den ich vor langer Zeit geschrieben habe und der mir zeigt, wie viel Glück ich mit den Menschen habe, die um mich herum sind. Daher heute mal ein Post der etwas anderen Art, denn ich lasse euch an etwas teilhaben, was nicht viele kennen. Wobei ich diese Textsammlung schon einmal veröffentlicht, dann aber wieder gelöscht habe. Wie dem auch sei, nun wird sie nicht mehr gelöscht, denn wir alle sind stärker als wir denken. Und wir haben Kräfte in uns, die wir manchmal selbst nicht kennen.

Lass dich nicht kleinmachen. Von nichts und niemandem…

Sometimes there is something which throws you out off course. You are standing there, helpless and you can’t hold it or even control it. You even can’t control yourself and you will do things without being convinced to do it right. We are all on a journey. Going a path. Some people have a path of asphalt, with flowers on both sides. That’s nice for them that they chose the easy path. As long as they are okay with that, there won’t be any bloodshed. But of some others the path is made of crushed rock, stony, steep and ruthless. I had to walk this way barefoot in the last few weeks. And blood was shed. “Don’t be that bitchy”, he said, I stoned his words. So many pebbles. But they came back like a boomerang and left more scars than my body already has. It hurt. And blood was shed. I was chewing dirty words and throwing out everything. But before he raged. And he destroyed everything I could call my life. I only can trust myself. I shared lies because I still have to practice this gift until it’s perfect. There are wonderful people who are staying with me anyhow. I’m in Copenhagen right now. The city is cute. But it’s not about the city. Since many months it’s a matter of how I could get on with myself without getting crazy. Because he destroyed everything. And blood was shed. You are fine with brushing all aside, at least for a while. But sooner or later the resistance will be broken. You should listen to your body. When it’s bleeding, crying or hungry. I hate doctors. And I hate bloodshed. I’m not a pro in being strong but I can fight. And there will be a day when he is gonna be small and I am gonna be tall. Then I will be the winner. Wild horses are running through my head, through my brain and mainly through my heart. They give the power which I need. However but I will get through this. You will see.

“Don’t make a fuss”, he said all the time. He was enraged. How can you be mad because I’m tired? I don’t want that. Something broke inside of me. The other day when you hurt me so much. But I’m not allowed to make a fuss. To be tired doesn’t count. But you are able to sleep the whole night after it. We changed parts. Because then I became angry. I threw you out much too late. You slept in blood and tears, I hated it. I hated you in this moment. In my mind I scrunched up photos and deleted memories. They are too dirty anyway to think about one moment longer. And you can strain yourself however you want but they won’t never become clean anymore. Your work is done – but I am no longer part of it. Shut up, I will make a fuss. Time for you to go.

There are many outraged faces. Nobody expected that. Of course not, me either. They are talking to me that I made the right decision. But in my opinion I made this decision too late. We buggered it up. No, that’s wrong. You buggered it up. You on your own. I’m not the one who is looking for mistakes in other persons and for sure I also made enough mistakes. “Stop snivelling”, you said without paying attention to the blood. It doesn’t interest you as long as you can leave the whole story as a winner. You will never do this again. I let many people win. My little brother for example. Always. I’m always the one who will withdraw for others celebrating their triumph. I am able to fight but not to win. Only for you I will make an exception. I will fight until I won. You won’t be the winner because I won’t let you win.

I’m thinking a lot. But never thinking of you. Thoughts of you are forbidden. And a waste. It would make me angry anyway. I’m just not thinking. That’s better. You never made that either. You never thought about how you can hurt me, you just did. You didn’t think about respect. There are many sorts of respect, you had none to be proud of. It’s a really shameful indictment not being able to stand up for the little granny of the neighborhood in the tram. You aren’t interested in other people. They only make you upset because you think it’s nonsense what they are doing. As we did shopping at a sunday afternoon, you was angry with me because I forgot to buy my stuff within the week and wanted to do it on a sunday when the whole supermarket was overfilled. You was upset and ignored me. I never begged you to come with me but it was my fault then that you couldn’t get your favorite crisps due to masses of people. Anyway you are sitting then on my sofa, eating other crisps and still ignoring me even if I paid your crisps. I’m not resentful for those little things, I can overlook that. But we have a different understanding of respect. And as long as you “only” are treating the little granny in the tram without respect, I never said anything and was just angry about it for myself. But now you also lost your respect with me. And I won’t accept that anymore. My world is spinning on, it’s existing at my wall now. But it’s existing without you because I decided to take the respect. Not you because obviously you don’t want to cooperate with the respect. Maybe I should invite the lovely little granny of the neighborhood for a cup of coffee, so she can watch my world, full of respect.

Something changed. And my soul’s circulation is kind of afraid of that because it just didn’t take much time. Actually I only wanted to hole up myself. Closing all doors and windows, not seeing anyone. Forgetting everything. And not talking about it until it’s endured in maybe a couple of years when the wound doesn’t hurt anymore. At leat I calculated with some years for that. Because one day it will burst and hurt again, I thought. But obviously not if someone comes into your life before, using all his strength and power to repair the wound. This person threw me out off course more than everything else before. For sure it wasn’t planned. I closed up my fucked-up heart but in fact there is a tiny back door which he found. I need time. He gives me more than only time. I’m feeling better. Really, I am able to manage my life again. Far away from the german rules. In between of chaos, crazyness and a bunch of emotions of which I thought that I couldn’t cope with them very well at the moment. “You are completely aimless”, he always said, the other guy who must be not named. I am the personification of order since I met my new definition of chaos. We don’t have any ideas where we will end up but we are not thinking and just drifting. Because it’s this new story of chaos what I want. Not thinking about it, especially not thinking about THIS TIME. My soul is eating its fill and my heart is able to breathe again. Because you blew up the chains, you sweet little personified chaos from the other side of Europe.

I don’t have much to say. Only that he made everything better. I’ve almost all of my exams done, he cared a lot that I won’t fail. I directly slipped into something I never had before, something different and bigger than I thought. He is more than medicine. And I think, it might be all said of my personal life. I think, I’m healed. Or at least a lot better.
(unknown date)

Whatever we do, there will be always people who fight against your luck. They try to destroy, to knuckle down, to control and to make you small. We live in a world where you have to be selfish because everyone is selfish and you will get smashed if you put up with everything. Usually I’m not selfish. I hate it to take my own first, I would share my last food, I thought. But I learned that the world wouldn’t share with you and they would steal you the last thing even if you was supposed to share with them. I learned that you always will have persons who envy you and who try to destroy your life because they can’t have the same. There will be always persons who take everything really serious and personal even if you didn’t want to insult anyone. They don’t believe you and they told me that the best thing I know is sharing lies. I learned that I’m not able to make it right to everyone, so I should stop to try it. I will protect myself better. So there won’t be any bloodshed with my life anymore. I take my decisions – and not everybody will like them. I make my life – and not everybody will celebrate it with me. And I will lose my patience for people who let me justify every single step in the past. I’m happy. And I’m happy with the person I chose and in the city I chose. Thank you, life.
(26-08-2018)

Personal diary

Ich hatte ja geschrieben, dass davon diesmal nichts gelöscht wird. Ich will Wort halten, obwohl ich den Beitrag eine Weile noch einmal zurückgenommen und nun geändert habe. Das Zurücknehmen hatte Gründe und das Ändern daraus resultierende. Nach der ersten Veröffentlichung schrieben mir um die zehn Personen, dass sie sich angesprochen fühlten. Das gab mir zu denken, ob ich wirklich so ein schlechter Mensch bin, dass ich immer nur alles kaputt mache und andere brüsk vor der Kopf stoße. Da ich mir das nicht vorstellen kann, da ich mich selbst kenne und da ich der Stadt Barcelona sehr dankbar bin, weil sie mir jeden Tag die Gelegenheit gibt, mich noch besser kennenzulernen, war dieser Gedanke schnell vom Tisch und ich begann mich zu fragen, was für Probleme diese Leute eigentlich haben. Man kann vermutlich von niemandem behaupten, dass er immer alles richtig macht und auch ich habe leider schon einige Menschen verletzt und wie ein Unwetter in ihren Herzen gewütet. Es tut mir in der Seele weh, so viel zerstört zu haben und nun selbst von der Zerstörung zu sprechen, die andere mir hinzugefügt haben, aber ich habe mich dazu entschieden, diese Zerstörung nicht länger an mich heranzulassen, da sie vor allem in diesem erwähnten Fall aus Neid geschah. Weil es sehr schwierig ist, neidische Menschen zufrieden zu stellen, sollte man es am besten gar nicht erst versuchen und sich selbst mit ein bisschen Egoismus wappnen. Aus Selbstschutzgründen nicht mehr alles zu teilen finde ich sehr traurig, daher habe ich Deutschland verlassen.
Ich will keiner einzigen Person die Schuld an meinem Auswandern geben, nur dem unfassbar weitreichenden Neid in den Köpfen der Menschen. In Barcelona habe ich meinen Frieden mit dieser Situation gefunden, da die Menschen um mich herum das Wenige, was sie besitzen, mit mir teilen und nicht noch mehr verlangen. Man braucht hier keinen Selbstschutz, keinen Egoismus mit seinen Mitmenschen.

Vor langer Zeit fand ich in dieser Stadt die Person, mit der ich all dies lernen, teilen, erleben und meistern kann. Er gibt mir Frieden nach all dem Zirkus. Er ist das Chaos, die Gedankenlosigkeit, die Liebe, die Ehrlichkeit und ein kleiner Vulkan. Er ist die Begeisterung, Energie, die Planlosigkeit, die Zufriedenheit über kleine Dinge und die Zuneigung, die in kein Gefäß der Welt passt, egal wie groß oder umfangreich es ist. Er ist die Betrunkenheit, die nicht von Alkohol kommt, das Lachen eines Kindes und die Aufmerksamkeit, die so vielen Menschen fehlt. Er ist die Philosophie, die in der Religion abhanden gekommen ist, er ist der Wutausbruch, der den Wald einmal abfackelt und dann durch einen ruhigen Regen besänftigt werden kann, er ist die Stimme, die dein Gewissen reinigt. Er ist das Herz, das keine Grenzen kennt und das Ohr, das die Geschichte von “Momo” erzählt. Er ist mittlerweile alles für mich und wir bauen uns hier in Barcelona ein gemeinsames Leben auf.

Was mein Leben in Barcelona angeht, gibt es noch einige Startschwierigkeiten, jedoch sind die bald behoben und ich kann euch mehr erzählen über durchgeknallte Katalanen, Tapas-Gezeche, bis man nicht mehr kann und Latinos, die sich lieb haben, weil sie sich so sehr beleidigen – oder sich beleidigen, weil sie sich so sehr lieb haben, man weiß es nicht. Irgendwo da mitten drin steht eine barfußlaufende Deutsche, die sich all das nicht mehr wegdenken kann.
*Das Foto von mir ist übrigens made by meinem kleinen Söckchen, Patrick Mader, der gerade durch die Welt reist, auch ganz fleißig darüber schreibt und mich mit seinen “Korrigier-mal-bitte”-Blogbeiträgen wahnsinnig macht (nichts für ungut, Kleiner, ich korrigier dir das gerne, allerdings glaube ich manchmal, du hast im Deutschunterricht Skat gespielt). Aber man sollte es sich trotzdem mal durchlesen! In diesem Sinne, cheers und bis bald!

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Barcelona: Einfach so…

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Dinge “einfach mal so” zu tun, davor fürchtet sich die Welt. Wir fürchten uns vor den Konsequenzen, die meistens weitreichender sind, als wir es in diesem Moment annehmen. Und doch gibt es so vieles, was man viel öfter einfach so tun sollte. Einfach so die Eltern anrufen und fragen, wie es ihnen geht, einfach so der älteren Dame über die Straße helfen, einfach so eine wildfremde Person anlächeln. Und dann gibt es mich. Ich ändere einfach so mal eben mein Leben.

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Es ist über ein Jahr her, dass ich zum letzten Mal etwas geschrieben habe. Es ist über ein Jahr her, dass ich durch den Balkan gereist bin, wie es mein letzter Post ja auch angekündigt hat. Es ist seltsam, dass man einen Blog hat, um genau solche Monsterreisen zu verarbeiten, aber letztendlich alles ganz anders macht, bis sich das Leben grundlegend ändert. Mein Leben hat sich geändert. Ich habe Entscheidungen getroffen, die vielen Kopfschmerzen und mir Überforderungsgefühle bereitet haben. Die Überforderung ist immer noch da, allerdings noch etwas anderes. Aber nehmen wir das mal von Anfang an auseinander.

Nach der Balkanreise habe ich Dinge getan, die ich nicht hätte tun sollen, die ich aber nicht bereue. Ich bin auch wieder auf Reisen gewesen, in Rumänien, in der Ukraine. In Polen, auf Mallorca und in Russland. Wahrscheinlich wird zu Letzterem ein Post kommen, da mir diese Reise viel bedeutet hat. Aber ich sollte aufhören, viel darüber zu reden, was ich letztendlich vielleicht sowieso nicht tun werde.
Eines habe ich allerdings getan. Ich habe es für mich getan, für mich ganz allein. Niemand hat mir bei dieser Entscheidung geholfen, niemand war dabei. Es haben nur entsetzlich viele Leute zugehört. Aber es ist meins und ich gebe es auch nicht her. Manchmal muss man egoistisch sein. Und ich war egoistisch genug, um etwas für mich zu tun, für mich ganz allein.

ICH BIN NACH BARCELONA GEZOGEN.

©L. Gerber, Blick über Bon Pastor
©L. Gerber, Blick über Bon Pastor, Barcelona
Sagrada Familia
Sagrada Familia, Barcelona
Mirador de Colom
Mirador de Colom, Barcelona
©L. Gerber, versteckte Ecken in Barcelonas Straßen
©L. Gerber, versteckte Ecken in Barcelonas Straßen

Einfach so. Einfach so und Punkt. Das war meine Entscheidung, zu der meine Freunde mich beglückwünschten und meine Mutter fast einen Herzkasper bekam. Inzwischen hat sie sich wieder beruhigt. Und auch akzeptiert, dass ich nicht vorhabe, in mein Heimatland zurückzukehren. Man kann natürlich nie für die Zukunft sprechen und wer weiß, wo ich morgen aufwachen werde, jedoch gehen meine Pläne weit genug. Auch wenn man in Spanien eigentlich keine Pläne machen kann.
Aber nun bin ich hier. Einfach so. Ich arbeite, ich habe einen Ort zum Wohnen und mittlerweile eine Sozialversicherungsnummer. Ich will hier fertig studieren. Und ich will nicht zurück. Es gibt vieles, was ich dafür aufgegeben habe und es ist mir bewusst, dass große Schritte nicht ohne große Folgen bleiben. Bisher beobachte ich nur positive Folgen. Und das nicht nur, weil ich jetzt noch besser spanisch sprechen kann.

©L. Baudisch, zugegebenermaßen ist das nicht Barcelona, sondern Ibiza, aber an diesem Ort und zu dieser Zeit, als das Foto entstand, traf ich die Entscheidung, in Deutschland die Brücken abzubrechen und alles hinter mir zu lassen.
©L. Baudisch, zugegebenermaßen ist das nicht in Barcelona, sondern auf der Insel Ibiza, aber an diesem Ort und zu dieser Zeit, als das Foto entstand, traf ich die Entscheidung, in Deutschland die Brücken abzubrechen und alles hinter mir zu lassen.

Deutschland hat mich nicht glücklich gemacht. Vielleicht bin ich daran auch selbst ein bisschen schuld. Und vielleicht gehöre ich tief im Herzen tatsächlich nach Spanien, so wie es meine Freunde alle schon immer gesagt haben. Die Romy, die kommt ständig zu spät, hat keinen Plan und läuft barfuß über den Asphalt. Die Romy erscheint mit allem unwichtigen Krempel und vergisst das Wichtigste. Die Romy ist einfach so, ich erinnere mich an meine allerliebste Grundschullehrerin, die mir diese Charaktereigenschaften schon angehängt hat, als ich sieben Jahre alt war. Die Romy, unsere Träumerin. Und das gefällt mir, das mag ich.
In Deutschland leben kann man damit allerdings nicht. Wie oft habe ich Termine versaut, wie oft habe ich ausgeliehene Dinge erneut vergessen, mitzubringen, wie oft habe ich meine Kugelschreiber verloren. Zur Prüfung in der Uni fast zu spät gekommen, den Termin bei der Physiotherapie vergessen und das Semesterticket zu Hause liegen gelassen und unbemerkt schwarz gefahren. Und das sind nur einige Episoden.
Ich gehe mal davon aus, dass das jedem passiert, allerdings nicht in dieser Quantität wie mir. Von meinen Freunden liebevoll als Frisör betitelt (aus unbekannten Gründen gibt es in der deutschen Sprache diese Assoziation für einen sehr vergesslichen Menschen), spaziere ich durch mein Leben, manchmal mit dem größten Chaos, der größten Gedankenlosigkeit und nur der Hälfte in der Tasche. Das ist nicht immer gut so, aber immerhin bin ich 24 Jahre weit gekommen und habe es geschafft, mich an den unterschiedlichsten Orten der Welt zurechtzufinden.
Einen Ort gab es immer, an dem ich mich besonders gut zurecht gefunden habe. Wo ich ich selbst sein konnte und wo es nicht schlimm ist, barfuß durch die Straßen zu tanzen und alle Kugelschreiber zu vergessen. Und da bin ich jetzt. Ich atme wieder, ich genieße die spanische Sonne. Ich könnte weinen vor Glück, jeden Morgen in Barcelona aufwachen zu dürfen und lächle die Menschen in der Metro an, wenn ich zur Arbeit fahre. Manchmal fahren wir bei Nacht oder Sonnenuntergang mit dem Moped durch Barcelonas Straßen und ich fühle mich dann so frei und leicht, wie es in Deutschland nie und nirgendwo der Fall war. An meinem Lieblingsort habe ich bereits Stunden verbracht. Meine geschundenen Knochen haben wieder mehr Lust, sich zu bewegen und alles hinter sich zu lassen. Es ist nicht schlimm, wenn sie mal nicht mithalten können. Sie müssen nicht mehr immer nur 100 % geben und es fällt mir leichter, mir selbst Pausen zu gönnen, achtsam anzuhalten und durchzuatmen und nicht mehr alles so schnell wie möglich machen zu wollen. Perfektionismus ist gut, Unperfektionismus ist besser. Meinem Körper gefällt es hier, die deutschen Ketten wurden gesprengt. Ich muss meine kaputten Füße nicht mehr in Schuhe sperren, ich kann aufhören, gegen mein Herz zu arbeiten. Ich bin glücklich hier.

Glücklicher als das geht nicht...
Glücklicher als das geht nicht… (Strand in Gavá)
Parque de Joan Miró
Parque de Joan Miró, Barcelona
©L. Gerber, Plaza de Catalunya
©L. Gerber, Plaza de Catalunya, Barcelona

ICH BIN GLÜCKLICH – DU BIST GLÜCKLICH?

©L. Gerber, Blick über Bon Pastor
©L. Gerber, Blick über Bon Pastor, Barcelona
©L. Gerber, in den Straßen Barcelonas
©L. Gerber, in den Straßen Barcelonas
©L. Gerber, Häuser in Bon Pastor
©L. Gerber, Häuser in Bon Pastor, Barcelona

Es ist sehr leicht und gleichzeitig unglaublich schwer, zu sagen, dass man glücklich ist. Oft sagen wir es, ohne dass es stimmt. Ich habe vor meinem Umzug lange darüber nachgedacht, habe Listen geschrieben, Pro- und Kontra-Argumente gesammelt, Freunden alle verfügbaren Ohren abgekaut. Vor allem die liebe Lauri und die geniale Lydie sind mit mir von Anfang bis Ende durch diese Phase der Entscheidungsfindung gegangen. Es war keine leichte Entscheidung und keine Schnapsidee, die mir eine Woche lang durch den Kopf gegangen war und dann beschlossen wurde. Ich war über zwei Jahre lang damit beschäftigt, über meine persönliche Form von Glück nachzudenken.
Ich denke, dass ich sie gefunden habe. Ich hätte vor vielen Jahren niemals gedacht, dass es einmal eine Stadt sein wird und vielleicht ist es naiv, zu denken, dass man sein Leben und seine Herzensangelegenheiten an einem bestimmten Ort festmachen kann, aber im Moment bin ich der Meinung, das Richtige getan zu haben. Ich bin hier glücklich und schreibe das nicht als Floskel, weil es nun einmal jeder sagt, damit er etwas zu sagen hat. Mein Herz und mein Körper sind hier in dieser Stadt glücklich. Und kein anderer Ort, keine andere Stadt, kein anderes Land hat das bisher geschafft. Ich fühle mich hier lebendig, weil Barcelona es dir nicht verbietet, zu träumen und alles zu vergessen. Ich kann hier zu spät kommen, ich darf anhalten und durchatmen. Ich darf in der Warteschlange an der Kasse ein Lied summen, ohne dass mich jemand schief ansieht.

Das Leben in Spanien ist natürlich nicht Friede, Freude, Eierkuchen und es gibt Dinge, an die ich mich gewöhnen musste oder es immer noch muss. Dinge, die ich lernen muss, die eine Umstellung hervorrufen und die man nicht außer Acht lassen sollte. Der Ruf der spanischen Organisation (sofern sie denn vorhanden ist) hallt immens und zugegebenermaßen kommt man so ganz ohne Ordnung im Leben nicht sonderlich weit. Ich muss hier lernen, mich selbst besser zu sortieren, ich muss viele Dinge, die in Deutschland von selbst laufen, hier eigenständig in die Hand nehmen und darf nicht locker lassen. Ich darf mich nicht von anderen abhängig machen und muss zusehen, dass ich Dinge und Daten nicht verschlampe. Ich muss mich daran gewöhnen, dass von jetzt auf sofort hier gar nichts funktioniert. Die Spanier nehmen sich Zeit für alles, suchen sich immer Gründe und Feiertage, um nicht arbeiten zu müssen und liegen in Dingen wie Effizienz und Struktur weit hinter meinen Gewohnheiten zurück. Was nicht passt, wird halt passend gemacht. Es ist manchmal nervenaufreibend, dass man jeder Kleinigkeit selbst hinterher rennen muss, es aber auch nicht sonderlich tragisch ist, wenn man es nicht tut. Als ich mich im Sozialamt für meine fünfminütige Verspätung entschuldigt habe, hat man mich verdutzt und leicht belustigt angeschaut.
Ich muss sagen, mir gefällt das. Mir gefällt diese Lockerheit der Leute, wahrscheinlich weil ich genauso bin. Ich habe ein bisschen Chaos in meinem Leben gebraucht. Ich will mich selbst strukturieren können und kein Land, das mir die Struktur vorgibt. Ich will keine Herzenskälte mehr, nur weil die eigene Struktur mit der deutschen kollidiert ist und dem Land das nicht passt. Die Spanier sind unglaublich liebe Menschen und ich kann hier endlich ein Leben nach meinen Maßstäben aufbauen.

...und zwar tanzend und glücklich!
…und zwar tanzend und glücklich!
La Pedrera / Casa Mila, Passeig de Gracia
La Pedrera / Casa Mila, Passeig de Gracia, Barcelona
Casa de Battló, Passeig de Gracia
Casa de Battló, Passeig de Gracia, Barcelona

DANN BIST DU JA SO WEIT WEG!

Natürlich habe ich bisher auch schon Schattenseiten und Probleme durchlebt und es gibt Dinge, bei denen ich mich schwer tue, mich an sie zu gewöhnen, aber ich war mir vorher über die negativen Aspekte durchaus im Klaren und wäre meine Liste mit den Pro-Argumenten nicht um Welten länger gewesen (auch nach mehrmaligem Schreiben), hätte ich das nie gemacht. Ganz oben stand übrigens, dass ich in Barcelona ich selbst sein kann und das war mir das Wichtigste. Mit den Nachteilen leben kann ich allemal.
Selbstverständlich gibt es hier viele liebe Menschen, die mir helfen und mich unterstützen. Viele Freunde, die sich über die Jahre angesammelt haben, Liebe, Geborgenheit und ernst gemeintes Lachen. Hier lügt mir niemand vor lauter Kälte ins Gesicht. Und natürlich habe ich auch für dieses neue Leben, was ich jetzt führen möchte, in Deutschland sehr vieles aufgegeben. Meine Familie und Freunde werde ich vermissen, ganz klar, auch wenn es mittlerweile preislich keinen Unterschied mehr macht, ob man in den Zug oder ins Flugzeug steigt und somit der Satz “Dann bist du ja so weit weg!” (meine Mama inmitten ihres Herzkaspers) für mich kein Argument mehr ist. Ich werde bestimmte Denkweisen und Gegenstände vermissen, ich werde mein Land zu schätzen lernen, was man automatisch tut, wenn man nicht da ist. Sonst verflucht man es nur. Ich weiß, dass Deutschland ein sicheres, stabiles und eigentlich auch sehr schönes Land zum Leben ist und mir werden Dinge – angefangen beim System der gesetzlichen Krankenkassen über grüne Wälder bis hin zu Schmand zum Kuchenbacken – sehr fehlen. Aber ich will es so, da die Dinge, die ich dazugewonnen habe, all das nicht mehr so tragisch aussehen lassen. Man kann auch ohne Schmand Kuchen backen.
Ich will in Spanien leben und behalte mein Land in wunderbarer Erinnerung und Wertschätzung, da es mich großgezogen und zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ich werde immer typisch deutsch bleiben, mit all den verrückten Eigenheiten und Spleens, die die Deutschen nun einmal so an sich haben (nur die weißen Socken in den Sandalen lassen wir mal weg), ich werde auch meinen deutschen Pass nicht abgeben. Ich bin Deutsche und vielleicht kommen mein Land und ich eines Tag zueinander zurück, aber für den Moment war die Trennung nötig und schön. Halt eben einfach so.

Parque Güell
Parque Güell, Barcelona
Mittelmeer, La Barceloneta
Mittelmeer, La Barceloneta, Barcelona

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Final Countdown: What I will miss

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Die absolut allerletzte Woche in Barcelona hat begonnen. Ich muss sagen, die Weihnachtspause zu Hause hat mir sehr gut getan. Ich war vor Weihnachten nicht mehr so wirklich ich selbst. Es war zu viel. Diese Stadt bombardiert mich jeden Tag, die Arbeit in der Sprachschule ist anstrengend und kräftezehrend, die spanischen Arbeitszeiten bin ich nicht gewohnt. Ich konnte nicht mehr. Obwohl es doch eigentlich mein Geschenk an mich selbst ist und ich die Zeit in Barcelona genießen wollte, jede Sekunde davon. Das habe ich nicht ganz geschafft, daher kam die Energieaufladung zu Weihnachten gerade richtig.

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©Lydia Gerber, Hamburg. I will miss these strong sunsets

Kommen wir also zur Frage, was mir definitiv fehlen wird. Da gibt es trotz Powerfressern schon einiges. Es ist genau diese Power, die ich vermissen werde. Ja, genau das, was ich oben als “kräftezehrend und anstrengend” beschrieben habe, wird mir gleichzeitig fehlen. Ich war schon immer unlogisch. Barcelona hat mir ein klein wenig mehr Durchsetzungskraft und freies Reden vor Menschen gegeben, außerdem unglaubliche Momente mit unglaublich verschiedenen Menschen, atemberaubende Orte, Eindrücke, Gedanken und Begegnungen. Es ist von allem etwas, was mir fehlen wird.

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Ich werde den Strand vermissen. Ich habe in Deutschland zwar meinen Ostseestrand, Heimatmärchen und Lieblingswind, aber man kann das süßliche, glitzernde Mittelmeer nicht mit der rauen, dunkelgrünen und unberechenbaren Seeluft der starksanften Ostsee vergleichen. Ich liebe mein Zu-Hause-Meer, aber das Mittelmeer und der Strand hat es mir angetan. Spuren im Sand von Küstenkindern verschwinden eben nie. In jeder freien Minute war ich am Meer. Freie Minuten gab es selten, Bilder vom Strand dafür viele. Mir war vorher selbst nie so wirklich bewusst gewesen, wie sehr meine Heimat, die rustikale Ostsee, in mir “verherzt” ist. Ich bin nach Leipzig gezogen, weil ich mein Zuhause nicht mehr sehen konnte, jetzt vermisse ich es. Warum wollen Menschen immer genau das haben, was sie gerade nicht bekommen können? Ich bin anscheinend auch nicht anders.

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In september – when if feels like the water has the same temperature like the air.

Ich weiß auch jetzt schon ganz genau, dass es mir diese vielen bunten Farben angetan haben. Es gibt keine deutsche Stadt, wo man das wiederfindet. Mitnehmen kann ich die ganzen Gaudí-Mosaik-Puzzles ja auch nicht. Nur etliche von diesen Kriechtieren, die an jeder Ecke verkauft werden. Mitnehmen würde ich gerne auch eines der kunterbunten Fenster in der Sagrada Familia, ich mag schöne Kirchenfenster. Der war schon faszinierend, dieser Gaudí. Und alles, was er entworfen hat, lass die Farben in dein Herz, Barcelona hilft dabei. B wie BUNT. B wie BARCELONA.

Ayuntamiento Barrio Gotico
Ayuntamiento Barrio Gotico
©Lydia Gerber, Hamburg. Details of art - Casa Battló
©Lydia Gerber, Hamburg. Details of art – Casa Battló
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©Lydia Gerber, Hamburg

Ob ich die Arbeit vermissen werde? Im Moment kann ich es mir nicht vorstellen, in zwei Wochen werden mir aber sicherlich einige Schüler fehlen. Es gab viele interessante Begegnungen, bei vielen Leuten habe ich begeistert festgestellt, dass sie sich verbessert haben. Offensichtlich war meine Arbeit an dieser Schule gar nicht mal so schlecht. Ich habe viele spannende Diskussionen geführt und werde noch lange über die Beweggründe jedes Einzelnen nachdenken, warum er oder sie Deutsch lernen möchte. Wenn ich jemals wieder an diese Schule zurückkehren sollte, dann nur, weil mir die Arbeit mit so vielen unterschiedlichen Charakteren ungemein Spaß gemacht hat. Und meine Spanischkenntnisse wurden dort glücklicherweise auch auf ein recht solides Niveau gebracht.

Es war eine faszinierende Zeit in Barcelona, die ich vielleicht irgendwann später in meinem Leben noch einmal wiederholen möchte, jedoch schaffe ich wahrscheinlich nicht mehr als drei Monate, dafür mischt sich mein deutsches Leben immer viel zu sehr ein, so dass es einem wie ein kompletter Bruch vorkommt. Aber Barcelona hat mich nicht zum letzten Mal gesehen. Hasta la próxima vez!

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