Rucksack wieder gepackt, Postkarten im Gepäck, weiter geht’s. Nächstes Ziel: Limerick. Alle haben gesagt, dass Limerick hässlich ist, furchtbar schmutzig und einfach nicht schön. Wir haben aus diesem Grund dort nur eine Nacht eingeplant. FEHLENTSCHEIDUNG. Ich teile diese Meinung absolut nicht. Wir haben zugegebenermaßen nicht besonders viel von Limerick gesehen, aber das, was wir gesehen haben, fanden wir nicht hässlich. Eher etwas verbraucht und abgenutzt, aber stark und kraftvoll. Information eines Taxifahrers: Limerick ist uralt. Stammt aus Zeiten der Wikinger. Und war Vorlage für New York City. Limerick kann nicht so mies sein, wenn es als Modell für den Bau DER Weltmetropole genommen wurde. Ich hatte das vorher nicht gewusst.
Wir haben hier in einem Hotel geschlafen und nicht wie in den anderen Städten in Hostels. Die schien es in Limerick nicht zu geben, ist nicht so der Touristenknotenpunkt. Das Hotel war auch ziemlich außerhalb, was bedeutete: Taxi fahren. Ich mochte das in Irland immer sehr gerne, mit einem Taxi unterwegs zu sein, weil alle Taxifahrer mit uns ein Gespräch begonnen und teilweise auch Hintergrundinformationen herausgerückt haben. Das hat sich gelohnt, denn sonst hätten wir niemals von unserem Ausflugsziel in Limerick erfahren. Bunratty Village. Meiner Meinung nach einer der besten Orte, die wir gesehen haben. Absoluter Wiederholungsbedarf.
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Bunratty Village ist ein kleines Dorf, schätzungsweise aus dem 15.-18. Jahrhundert, das man genauso wieder aufgebaut hatte, wie es damals ausgesehen hat. Die Häuser waren alt, niedrig, muffig und hatten Strohdächer, sie waren liebevoll eingerichtet mit den Dingen, die die Menschen damals hatten. Man konnte auch sehen, wer reicher war und wer sich mit einfachen Dingen zufrieden geben musste. Von den Strohhäusern kam man zur Burg, die ebenfalls genauso eingerichtet war wie vor 500 Jahren, als dort wirklich Menschen gelebt haben. Man konnte die Schlafsäle und Essensräume besichtigen. Die Böden waren mit Teer übergossen, alles sah unglaublich alt aus. Selbst der Kerker, in dem zwar nur eine Puppe hauste, war real. Die Menschen waren früher deutlich kleiner gewesen, Kopf stoßen war also vorprogrammiert. Und viele Durchgänge waren einfach nicht für Menschen gebaut, die mehr als 60 Kilo auf den Rippen hatten, ich habe gerade so durchgepasst. Die Wendeltreppen waren steil und abenteuerlich, Griffe zum Festhalten praktisch nicht vorhanden. Für die Menschen von damals war das normal – sind wir heutzutage wirklich so verweichlicht und können das alles nicht mehr? Wir werden immer dicker, haben keinen Gleichgewichtssinn und können in so einer Burg wahrscheinlich keine zwei Tage am Stück überleben, ohne uns ernsthaft zu verletzen.-
Die Leute, die in diesem Dorf arbeiteten, trugen alle altertümliche Kleidung. Teilweise wurde auch einigen Gebäuden ihr Nutzen zurück gegeben, beispielsweise befand sich im Dorfrestaurant auch wirklich ein Restaurant, wo man ganz gemütlich auf alten Bänken essen konnte. Im Postamt haben wir unsere Postkarten abgegeben und vorher sicherheitshalb noch einmal nachgefragt, ob der Briefkasten vor der Tür auch wirklich seinen Zweck erfüllt oder nur dort steht, weil hier vor 200 Jahren auch schon das Postamt gewesen ist. Das fand der Postbeamte hinter dem Schalter sehr lustig. Im Süßigkeitenladen kauften wir uns Eis und im Haus des Dorfarztes lief auch tatsächlich ein schrulliger älterer Herr herum, der uns alles über den damaligen Beruf des Arztes erzählt hatte. Es folgten ein Gutshof mit alten Maschinen und ein reiches Herrenhaus mit Garten, die Dorfkirche, die Schule und zwei verschiedene Mühlen. Insgesamt könnte man einen ganzen Tag dort verbringen, wir haben mehr als fünf Stunden gebraucht.
Dieses alte Leben zu beobachten war sehr inspirierend für mich. Ich schreibe Geschichten, manchmal auch über vergangene Zeiten, und ich habe in Bunratty Village viel über die Lebensweise von damals gelernt. Wie wäre es, wenn man wirklich in so einem Dorf leben würde? Kein Handy, kein Auto, kein Kühlschrank? Einen Kilometer laufen, um Wasser zu holen. Schlafen auf Strohmatratzen. Ohne Nähen, Kochen, Reiten und Kenntnisse über sämtliche Pflanzen und Tiere völlig aufgeschmissen sein? Reiten ist das Einzige davon, was ich mehr oder weniger kann, ich würde es also nicht schaffen. Oder zumindest erst vieles lernen müssen.
Ich habe einmal einen Bericht gelesen über eine Frau aus Schottland, die ein ganzes Jahr ihr mediales Leben hinter sich gelassen hat und in ein Haus mit Strohdach irgendwo ins schottische Nirgendwo gezogen ist. Sie kam wieder und wusste alles, was man über Getreide, Ernte, Tierkrankheiten wissen musste. Sie konnte mit Feder schreiben. Sie war kräftiger geworden als vorher und ihre Allergien hatten sich in Luft aufgelöst. Sie wusste, was sie wollte. Nur zweimal hat sie geschummelt: Als ihr Enkel geboren wurde, ist sie in den Bus gestiegen, um ihn zu sehen und als sie sich beim Gemüse hacken in die Hand gehackt hat, ging sie zum Arzt, um sich ein Antibiotikum verschreiben zu lassen. Aber ansonsten ein Jahr ohne alles. Sie hat es nicht bereut. So was interessiert mich immer brennend. Und vor allem auch die Tatsache, dass es leider Gottes Menschen gibt, die keine zwei Stunden ohne ihr Smartphone auskommen, jeden Moment snapchatten müssen und lieber den Fahrstuhl oder die Rolltreppe nehmen. Ich gebe zu, auch ich nutze Instagram und Facebook regelmäßig, ich konsumiere Medien genauso viel. Aber ich versuche ab und zu, sie wegzulegen und nichts zu tun. Man muss nicht pausenlos am Handy sein. Ich nehme leider auch öfter die Rolltreppe als die normale Treppe (…was aber auch noch andere Gründe hat) und bin manchmal der faulste Mensch der Welt. Ich wüsste nicht, ob ich es schaffen würde, ein Jahr auf alle Bequemlichkeiten zu verzichten. Das wäre mal ein spannendes Experiment. Ich bewundere die Frau aus Schottland.
Aber zurück nach Limerick. Man merkt, dass diese Stadt und auch das Leben, die Umgebung, die Mentalität dort sehr alt sind. Ich bin nicht sonderlich poetisch, doch es war, als würde in Limerick ein uraltes Feuer schlummern, das eines Tages brennen wird. Auch dahin will ich definitiv wieder zurück.
Ich habe immer markiert, wer der Urheber eines Bildes ist, da einige Fotos in diesem Post von meiner Freundin ©Lydia Gerber, Hamburg, sind. Ihr gehören sämtliche Rechte an den Bildern, unter denen sie markiert ist, und sie ist damit einverstanden, dass ich sie verwende.
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